"Ohne Zähne siehst du ganz schön alt aus" - Auf der Suche nach der verlorenen Kieferrelation

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Höre dir die Audiodatei von Herbert an!

Notiere, welche Auswirkungen die beschriebene Prothese auf ihren Träger hat. Unterscheide hierbei zwischen

  • ästhetischen,
  • phonetischen und
  • sozialen Folgen der Zahnlosigkeit.


Die Auswirkung von Zahnlosigkeit auf die Topographie unbezahnter Kiefer

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Arbeitsaufträge

1. Beschreibe

  • die Auswirkungen der Zahnlosigkeit auf die Topographie unbezahnter Kiefer und die Gesichtsproportionen unbezahnter Menschen
  • die Veränderungen unbezahnter Kiefer gegenüber bezahnten
  • und die Veränderungen der Kau- und mimischen Muskulatur.


Und hier bekommst du alles, um die Aufgaben zu bearbeiten:

Level 1: Lies die nachfolgenden Zusammenfassung hier in deinem Online_Lehrbuch.

Level 2/3: Lies das Kapitel zum Zahnverlust.

Level 4++: Für ganz ganz Motivierte und wenn du Zeit hast. Lies den Artikel zu den Folgen der Zahnlosigkeit von N. U. Zitzmann.


2. Unterstütze auf jedem Level deine Beschreibungen mit Bildern.

Skizziere

  • die zahnlosen Kiefer und benenne die wichtigen Strukturen in deutscher und med. Fachsprache,
  • die Veränderungen zahnloser Kiefer im Laufe der Zeit und
  • die veränderten Gesichtsproportionen.



1| Topographie des unbezahnten Kiefers

  • Kieferkammatrophie

Was bedeutet Atrophie? Atrophiert der Knochen, dann liegt das daran, dass sich die Anzahl der Knochenzellen verringert. Dieser Vorgang ist sichtbar. Resorption hingegen bedeutet, dass Knochenmaterial vom Körper abtransportiert wird. Dieser Vorgang ist ein chemischer Prozess im Körper.

Der Oberkiefer wird schmaler. Er entwickelt sich nach kranial, dorsal und medial. Die folgenden Strukturen im Oberkiefer sind stabil:

Der Unterkiefer wird breiter. Er entwickelt sich nach kaudal, ventral und lateral. Hier bleiben die folgenden Strukturen stabil:

  • Trigonom retromolare
  • Linea obliqua (auch: Crista obliqua)
  • Linea mylohyoidea (auch: Crista mylohyoidea)

Die Abbauvorgänge der Kiefer führen in der Folge zu einer Kreuzbisssituation im Seitenzahnbereich und zu einer mandibulären Prognathie im Frontzahnbereich.



2| Veränderung der Mukosa (Schleimhaut auf dem Alveolarkamm)

Durch die Resorption des Knochens in Richtung der Alveole, verändert sich auch die Schleimhaut auf dem Alveolarkamm (Mucosa) und verursacht die beschriebenen Größenveränderungen. Wird der Alveolarkamm im Unterkiefer durch die Mundschleimhaut überlagert, handelt es sich um einen Mundbodenprolaps. Häufiger im Oberkiefer, aber auch im Unterkiefer möglich, ist die Bildung eines Schlotterkamms. Dieser entsteht, wenn die Weichgewebsstruktur des Alveolarfortsatzes erhalten bleibt, die knöcherne Struktur jedoch abgebaut wird. Man spricht dann auch von Mukosaüberschuss.


3| Gesichtsproportionen

Die Veränderung der Physiognomie durch die fehlende Weichteilunterstützung des Knochens führt zu einer raschen fazialen Alterung:

  • Das Profil des Menschen verändert sich: der Unterkiefer wandert nach anterior-kranial und der Oberkiefer wandert nach dorsal.
  • Durch die fehlende Abstützung der Zähne fallen die Lippen ein, sie verstreichen. Das Lippenrot verschwindet.
  • Das Untergesicht verkleinert sich in vertikaler Richtung.
  • Die Nasolabialfalte tritt verstärkt in Erscheinung.
  • Es erscheint ein prognathes Gesichtsprofil (mandibuläre Prognathie durch Zahnverlust).
  • Die Mundwinkel hängen herab.


4| Kau- und mimische Muskulatur

Der Verlust der Propriozeption (des Parodonts) durch Zahnverlust führt zur Reduktion der Taktilität und in der Folge zum Verlust der Kaukraft und der Kaueffektivität. Dies kann in einer Nahrungsselektion von Seiten des Patienten resultieren und in einer Mangelernährung durch Nahrungsselektion enden.

Durch die verminderte Kauaktivität reduziert sich die Speichelsekretion und führt zu

  • zu einem vermindertem Prothesenhalt,
  • zu einer eingeschränkten Sprachfunktion und
  • zur Einschränkung der Lebensqualität durch mögliche psychosoziale Einschränkungen. Die Auswahl der Nahrung ist eingeschränkt und es entsteht ein Schamgefühl.

Die verlorene Kieferrelation wiederfinden

Denken wir an Herbert zurück. Da scheint doch ganz klar Einiges bei der Herstellung der Totalprothese schief gelaufen zu sein. Damit es anderen Patient*innen nicht so ergeht wie Herbert, fangen wir erstmal an die verlorene Kieferrelation wieder herzustellen.


Die Kieferrelationsbestimmung

Grundsätzlich kann die Kieferrelation in zwei Richtungen bestimmt werden, und zwar vertikal und horizontal.

Zur Bestimmung der vertikalen Kieferrelation kann

  • das Neuromuskuläre Verfahren
  • das Phonetische Verfahren und
  • das Craniometrische Verfahren herangezogen werden.

Dabei wird die Lage des Unterkiefers zum Oberkiefer ermittelt, also die Bisshöhe.

Nachdem die vertikale Kieferrelation bestimmt worden ist, wird bei den horizontalen Verfahren die Unterkieferrelation in transversaler und sagittaler Richtung bestimmt. Ein Verfahren der Horizontalen Kieferrelation ist das Intraorales Stützstiftregistrat (Pfeilwinkelregistrat), welches du bereits in Lernfeld 2/3 kennen gelernt hast.


Eine exakte Bestimmung der vertikalen und horizontalen Kieferrelation ist ein entscheidender Vorgang bei der Herstellung totaler Prothesen. Sie ist für die langfristige Wiederherstellung der Funktion, die Schonung der Kiefer vor strukturschädigenden Einwirkungen, der Erhaltung der Selbstregulation im Kausystem und nicht zuletzt für die zwischenmenschlichen Beziehungen von großer Bedeutung.


Vertikale Kieferrelation

1| Das Neuromuskuläre Verfahren

Hier findest du das Thema Bissschablonen im Lernfeld 2/3.

Bei diesem Verfahren wird die Ruheschwebe bestimmt. In der Praxis geschieht das wie folgt am Patienten/an der Patientin: Zunächst wird mit einem Filzstift die Nasenspitze und die Kinnspitze mit einem Punkt markiert. Der Patient/die Patientin wird aufgefordert aufzustehen und entspannt geradeaus in die Ferne zu schauen. Dabei nimmt der Unterkiefer die sogenannte Ruheschwebe ein.

  • Der Abstand der beiden Gesichtsmarkierungen in der Ruheschwebe wird gemessen und notiert.
  • Die vorbereiteten Bissschablonen werden eingesetzt.
  • Der Patient wird aufgefordert, den Mund zu schließen.
  • Nun werden die Wachswälle solange gekürzt, bis der Abstand der Gesichtsmarkierungen etwa 3-4 mm kürzer ist als in der Ruheschwebe.
  • Das ästhetische Erscheinungsbild des Gesichtes wird nun kontrolliert (Gesichtsfalten, Lippenfülle usw.)
  • Sprechprobe: Beim Sprechen verschiedener Laute werden bestimmte Interokklusalabstände eingehalten. Die Wachswälle dürfen nicht aneinanderstoßen. Evtl. muss die Länge der Wachswälle dann noch korrigiert werden.
  • Die Wachswälle werden fixiert.


Die Herstellung von Bissschablonen auf Funktionsmodellen wurde schon im Lernfeld 2/3 besprochen.

Arbeitsaufträge zur Wiederholung:

  • Skizziere eine Bissschablone.
  • Markiere und benenne die Bedeutung der Linien auf Bisswällen.
  • Nenne, welche Höhe die Bisswälle im Ober- und Unterkiefer in der Regel haben.



2| Das Phonetische Verfahren

Bei diesem Verfahren wird der Sprechabstand bestimmt. Genau genommen dient es bei dem neuromuskulären Verfahren als Kontrolle in Form einer Sprechprobe, bei der verschiedene Laute ausgesprochen werden.


3| Das Craniometrische Verfahren

Seit über 100 Jahren wird davon ausgegangen, dass im menschlichen Gesicht bestimmte Proportionen existieren, mit deren Hilfe die vertikale Kieferrelation bei zahnlosen Menschen bestimmt werden kann.

Das Gesicht wird symmetrisch dreigeteilt in die Abschnitte

  • Stirnpunkt - Nasenwurzel
  • Nasenwurzel - Subnasalpunkt und
  • Subnasalpunkt - Kinnspitze.

Alle Abschnitte sind im Verhältnis gleich zueinander.

Nach dem "Goldenen Schnitt" gibt es bestimmte Abstände zwischen zwei Punkten. Bei einer geteilten Gesamtlänge ist das Verhältnis der kleinen Strecke zu der großen gleich dem Verhältnis der großen zur gesamten Strecke.

Bei Patient*innen werden dazu Nasenspitze, Oberlippe und Kinnspitze markiert und mit einem Zirkel vermessen.

Der Abstand zwischen Nasenspitze und Oberlippe zum Abstand zwischen Oberlippe und Kinnspitze soll sich genauso verhalten wie der Abstand zwischen Oberlippe und Kinnspitze zum Abstand zwischen Nasenspitze und Kinnspitze.

Kurz gesagt: Der Abstand N-O zu O-K verhält sich genauso wie der Abstand O-K zu N-K.

Jetzt bist du an der Reihe.

Versuch

Überprüfe die beiden craniometrischen Verfahren.

Level 1/2:

Markiere dazu die Punkte in deinem Gesicht und miss die Strecken. Für den goldenen Schnitt kannst du auch einen Zirkel verwenden.

Stimmen die Verhältnisse zueinander?


Level 3/4:

Markiere dazu die Punkte in deinem Gesicht und miss die Strecken. Für den goldenen Schnitt kannst du auch einen Zirkel verwenden.

Stimmen die Verhältnisse zueinander?

Beschreibe, welche Probleme bei der vertikale Kieferrelationsbestimmung entstehen können. Vielleicht hilft ein Blick in diesen Artikel.

Horizontale Kieferrelation

Nachdem die vertikale Kieferrelation bestimmt worden ist, wird bei den horizontalen Verfahren die Unterkieferrelation in transversaler und sagittaler Richtung bestimmt. Ein Verfahren der Horizontalen Kieferrelation ist das Intraorales Stützstiftregistrat (Pfeilwinkelregistrat), welches du bereits in Lernfeld 2/3 kennen gelernt hast.

In diesem Lernvideo wird dir die Herstellung des Stützstiftregistrates sowie dessen Anwendung genau erklärt:

Diese Videoanleitungzeigt die Kieferrelationsbestimmung am Patienten:

  1. Dokumentiere in Stichworten die Herstellung eines Stützstiftregistrates.
  2. Zeiche einen "Gotischen Bogen" und erläutere die Bedeutung der einzelnen Striche genau.
  3. Zeichne und erläutere die Ermittlung der Zentrik mit Hilfe des "Gotischen Bogens".