LS5.2 Funktion des Kausystems

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Gemeinsame Erarbeitung

Trage während der gemeinsamen Erarbeitung alle wichtigen Zusammenhänge in dein Buddybook ein. Das Buddy-Book gibt es im A3-Format zum Drucken, Schneiden, Falten und Ausfüllen mit Stiften oder im A4-Format zum Ausfüllen mit dem Tablet.

Ein Faltanleitung für das analoge Buddybook findest Du hier.



Die Funktion des Kausystems

Unser Kausystem hat sich im Laufe der Evolution immer weiter entwickelt. Zähne haben ihre Form und Lage zueinander erhalten. Dahinter steht das Form-Funktions-Gesetz (form follows funktion). Die Zähne können so Ihre Aufgaben erfüllen:

  • Die Nahrung ergreifen und zerkleinern.
  • Laute bilden (Sprache).
  • Ihre soziale Funkionen (ein schönes Lächeln!) erfüllen

Zahnersatz muss möglichst so angefertigt werden, dass die Funktion des Kausystems vollständig wiederhergestellt wird. Dazu gehört auch die physiologische Okklusion. Nur wenn die Okklusion perfekt passt, macht der Zahnersatz den Patienten nicht krank und funktioniert. Bei Zahnersatz aus Metall, Kunststoff oder Press- und Schichtkeramik kann der Zahnarzt die Okklusion im Mund durch Schleifen korrigieren. Das sollte bei perfekt hergestelltem Zahnersatz nicht notwendig sein, ist aber möglich. Bei monolithischem Zahnersatz aus Zirkonoxid funktioniert das nicht mehr! Der Werkstoff ist zu hart, um ihn im Mund zu beschleifen. Außerdem wird er durch Schleifen im Mund beschädigt. Daher muss dieser Zahnersatz sofort beim ersten Versuch genau passen!

Um all das zu gewährleisten, brauchst du genaue Kenntnisse über die physiologische Okklusion des Menschen.

Statische Okklusion

Als statische Okklusion werden Zahnkontakte ohne Bewegung des Unterkiefers (in maximaler Interkuspidation) bezeichnet.


Beziehungen der Zähne zueinander

In Okklusion können Zähne einen oder zwei Antagonisten haben. Bei einer so genannten Zahn-zu-Zahn-Verzahnung hat jeder Zahn nur einen Antagonisten. In einer Zahn-zu-zwei-Zahn-Beziehung hat jeder Zahn einen Haupt- und einen Nebenantagonisten. Als Hauptantagonist wird der Zahn bezeichnet, mit dem der jeweilige Zahn den großflächigsten Kontakt hat, vergleiche auch Wikipedia: Antagonist.

Approximale Kontaktpunkte

Die approximalen Kontaktpunkte sind physiologisch so gestaltet, dass die Selbstreinigung im wesentlichen unterstützt wird. Sie liegen im approximalen Drittel der Krone und sind punktförmig. Zahnseide oder Okklusionsfolie lässt sich mit einem mittleren Widerstand durch den Approximalraum bewegen. Bei älteren Patienten können die Kontaktpunkte durch Attrition und Mesialdrift (Physiologische Zahnwanderung) flächiger werden.

Durch die Approximalkontakte wird der Schutz der Interdentalpapille und die Abstützung der Zähne untereinander gewährleistet. Daher sind diese auch bei künstlichen Kronen unbedingt nachzubilden. Auch hier bestimmt wieder die Funktion die Form oder Gestalt der Krone (siehe Form-Funktions-Gesetz).


Interkuspidation

Interkuspidation (Inter = lat.zwischen, cuspis = lat. Spitze) = Zusammenschluß = Okklusion = Höcker–Fossa–Relation (Dt. Gesellschaft für Funktionsdiagnostik und Therapie)

Theoretisch stimmt in einem "gesunden Gebiss"

  • die habituelle Interkuspidation (gewohnheitsmäßig eingenommene statische Okklusion bei lockerem Schließen der Kiefer) und
  • die maximale Interkuspidation (maximaler Vielpunktkontakt zwischen Unterkiefer- und Oberkieferzähnen bei kräftigem Schließen der Kiefer) mit
  • der zentrischen Okklusion (die Kondylen befinden sich in der Mitte der Gelenkgrube und alle beteiligten Muskeln sind im Gleichgewicht)

überein. Diese Position soll vom Patienten mühelos und spontan aus der Ruhelage des Unterkiefers eingenommen werden können. Das wäre dann die "perfekte" statische Okklusion.

Das ist, wie gesagt, die Theorie. Praktisch finden wir bei der habituellen Interkuspidation deutlich weniger okklusale Kontaktpunkte als bei der maximalen Interkuspidation. Das liegt z.B. an der Nachgiebigkeit der Zähne in den Alveolen.

Die beiden Interkuspidationsformen stimmen nur dann mit der zentrischen Okklusion überein, wenn keinerlei pathologische (krankhafte) Funktionsstörungen (Craniomandibuläre Dysfunktionen, CMD) vorliegen.


Die Verteilung der Kontaktpunkte[1] [2]

Die Kontaktpunktverteilung in statischer Okklusion natürlicher, gesunder, physiologisch arbeitender Gebisse weicht von älteren statischen Okklusionskonzepten (Gnathologie, Biomechanisches Konzept) in Zahl und Lage ab.

Derzeit ergeben sich aus aktuellen Untersuchungen folgende Grundsätze und charakteristische Merkmale eine natürlichen statischen Okklusion:


  • Im Seitenzahnbereich finden sich punktförmige Kontakte.
  • Pro Quadrant findet man 10-15 Kontaktpunkte, davon ca. 10 Kontakte pro Seitenzahnquadrant und 5 Kontakte im Frontzahnbereich.
  • Kontaktpunkte finden sich vorwiegend auf den Haupt- und Nebenwülsten der Arbeitshöckern auf unterschiedlicher Höhe oder zentral auf den Höckergraten.
  • Es gibt eher wenig Randleistenkontakte.
  • Auf den Haupt- und Nebenwülsten der Scherhöcker finden sich wenig Kontakte.
  • Frontzähne können nur zum Teil oder alle nahezu gleichzeitig / gleichmäßig zu den Seitenzähnen Kontakt haben. Diese Kontakte sind meist leichte Berührungskontakte (im Durchschnitt 5 Kontakte).


Diese Merkmale spiegeln Gesetzmäßigkeiten der Natur wieder. Natürlich gibt es aber immer wieder kleinere oder größere Abweichungen davon.

Individualität und Freiheit in der Okklusion

Bei der Betrachtung von Kontaktverhältnissen findet man eine große Individualität und Freiheit in der Zentrik:


  • Bei den Prämolaren haben meist die Haupt- oder Nebenwülste der Arbeitshöcker zwei Kontakte. Scherhöcker stehen meist außer Okklusion und es findet sich keine enge Verzahnung, eher große Freiräume.
  • Die ersten Molaren haben eine enge Verzahnung und haben meist 4-6 Kontaktpunkte im oberen Drittel der Haupt- und Nebenwülste oder der Höckergrate.
  • Es finden sich wenige Randleisten- oder Scherkontakte, meist haben die Scherhöcker keinen Kontakt.
  • Die zweiten Molaren haben ca. 4 Kontakte, diese sind eher Arbeitskontakte und sind weniger eng verzahnt.
  • Die Hauptwülste der Stampfhöcker müssen immer berücksichtigt werden (B-Kontakte).
  • Die Verteilung der Kontakte besteht an entgegengerichteten Wülsten. So wird die Position der Zähne in der Zahnreihe gesichert. Bei Molaren findet die Stabilisierung in mesiodistaler und bukkal-oraler Richtung statt.


A-B-C-R-Kontakte

Es gibt A-, B-, C, und R-Kontakte zwischen Seitenzähnen. Außerdem gibt es bestimmte Bereiche, in denen diese Kontaktpunkte besonders häufig vorliegen. Es müssen bzw. dürfen nicht immer alle Kontaktbereiche genutzt werden! =====


  • A- Kontakt: Ein Kontakt zwischen einem Scherhöcker des OK- Zahns und einem Stampfhöcker des UK- Zahns (gelb, ca. 15% aller Seitenzahnkontakte).
  • B- Kontakt: Ein Kontakt zwischen den Stampfhöckern des OK und UK (rot, ca. 65% der Seitenzahnkontakte).
  • C- Kontakt: Ein Kontakt zwischen einem Stampfhöcker des OK- Zahns und einem Scherhöcker des UK- Zahns (grün, ca. 10% der Seitenzahnkontakte).
  • R- Kontakt:Ein Kontakt zwischen Arbeitshöcker (rot) und antagonistischer Randleiste (lila, ca 10% aller Seitenzahnkontakte)


Lernvideo zum A/B/C/R-Konzept:


Gemessene Kontaktpunkte

Prämolaren

Zahn Anzahl
14/24 2
15/25 2
34/44 2
35/45 2

Molaren

Zahn Anzahl
16/26 4-5
36/46 5-6
17/27 4
37/47 4-5


Stampfhöcker / Scherhöcker

  • Die Arbeitshöcker spielen eine wichtige Rolle bei der schließenden Kaubewegung: Kurz vor Zahnkontakt wird die Kaubewegung neuromuskulär abgebremst, es kommt zu einer Pause und eine neue, öffnende Kaubewegung wird ausgeführt.
  • Scherhöcker halten die Nahrung in der Zahnreihe und grenzen im Unterkiefer mit der Zunge den Unterzungenraum gegen den Speisebrei ab. Im Oberkiefer dichten diese gemeinsam mit der Wange den Wangenraum ab.



Dynamische Okklusion

Als dynamische Okklusion werden Zahnkontakte bezeichnet, die infolge einer Bewegung des Unterkiefers entstehen.


Grenzbewegungen des Unterkiefers

Die Unterkiefer-Grenzbewegungen werden von dem zugehörigen Bandapparat, den beteiligten Knochen, der Muskulatur und der Okklusion begrenzt. Die Grenzbewegungen sind maximale Exkursionsbewegungen des Unterkiefers.

Man kann Sie von lateral und von frontal betrachten. Es ergeben sich so bei der Verfolgung des Inzisalpunktes charakteristische Kurven der Grenzbewegungen. Auf diesen können dann folgende Punkte definiert werden:


Punkte der Grenzbewegungen:

  • Zentrische Okklusion
  • maximale Protrusion (7-11 mm)
  • maximale Retrusion (sofern möglich, 0,5-1,5mm)
  • maximale Mundöffnung (40-60 mm)
  • Mundöffnung ohne Protrusion.
  • Seitwärtsbewegungen (Laterotrusion)


In diesem Lernvideo werden dir die Grenzbewegungen detailliert erläutert:

Kaubewegungen des Unterkiefers

Die Kaubewegungen liegen weit innerhalb der Grenzbewegungen. Sie treffen sich nur in der maximalen Interkuspidation bzw. zentrischen Okklusion. Die Kaubewegungen haben eine laterotrusive und eine protrusive Komponente. Das bedeutet, der Unterkiefer bewegt sich beim Kauen leicht nach lateral und ein wenige nach ventral.


In diesem Lernvideo werden dir die Kaubewegungen detailliert erläutert:


Selbstlernen

Die einzelnen Jobs to do, die jeweilige Checkliste und Lösungen zum Selbstlernen für jeden Kompetenzlevel findest du, wenn Du diesem Link folgst.


Referenzierung:

Bereite dich auf einen kurzen mündlichen Vortrag vor, in dem du mit Hilfe der in dieser Lernsituation verwendeten Modelle und/oder Dateien deine neu erworbenen Kompetenzen nachweist! Ein Notebook kannst du bei Bedarf mit zur Referenzierung bringen.



  1. Bernd Kordaß; Anzahl und Lokalisation okklusaler Kontaktbereiche an natürlichen Seitenzähnen ohne ärztlichen Befund, Zeitschrift für Kraniomadibuläre Funktion 2022; 14(2); 115-128.
  2. Untersuchungen, Vgl. z.B. Die physiologische Okklusion des menschlichen Gebisses, Dr. Eugen End, 2005